Das Wort Resilienz ist in aller Munde. Übersetzt bedeutet es so viel wie seelische Widerstandskraft. Und oft wird als Symbol dafür der Bambus gewählt, der auch unter Belastung nicht bricht. Oder das Stehaufmännchen, das sich wieder justiert, wenn es umgehauen wurde.
Doch Resilienz kann auch in einem Alltag, der nicht von Krisen geschüttelt wird, nützlich sein. Denn sie hilft uns, die persönliche seelische Balance auf feste Füße zu stellen.
Wer die sieben Säulen der Resilienz kennt und aktiv stärkt, wird merken, dass viele Herausforderungen des Alltags weniger an den Nerven zerren und viele Probleme sich als lösbar erweisen, die vorher für Kopfzerbrechen sorgten.
Die sieben Säulen der Resilienz, ihre Leitgedanken und praktische Übungen dazu:
1.Akzeptanz:
Dinge zu akzeptieren, bedeutet schlicht anzuerkennen, dass eine Situation ist wie sie ist. Man muss dabei die Situation oder das Verhalten einer anderen Person nicht unbedingt gut finden. Jedoch ist der erste Schritt, um einen konstruktiven Umgang mit Situationen zu finden, die Stresspotenzial haben, dass wir sie überhaupt anerkennen und akzeptieren.
Häufig entstehen stressige Situationen aus mangelnder Akzeptanz. Wenn wir beispielsweise immer weiter mit den Veränderungen der Krankenkassen-Gesetze hadern, statt zu akzeptieren, dass es ist wie es ist oder uns innerlich dagegen wehren, dass es Patient:innen gibt, die kurzfristig absagen, erhöhen wir unseren Stresspegel. Günstiger ist es, die Dinge zu akzeptieren – und im Anschluss nach Lösungen zu schauen. Vielleicht eröffnet sich ein kreativer Umgang mit den neuen Regelungen der Krankenkassen. Oder wir legen für Patient:innen eine klare Regelung für die Honorierung bei Absage fest.
Ein Leitgedanke der Akzeptanz lautet: „Ich sehe: So ist es.“– Statt mit der Situation zu hadern
Übung:
Akzeptanz lässt sich leicht üben – denn überall begegnen uns passende Situationen: Zum Beispiel im Stau oder in der Warteschlange an der Kasse. Was wird möglich, wenn du aufhörst mit der unveränderlichen Situation zu hadern? Vielleicht nutzt du für ein Hörbuch? Oder als Pause?
2.Optimismus:
Optimist:innen sind Menschen, die durchaus sehen, dass Dinge schief laufen können. Doch sie gehen erst einmal davon aus, dass es auch gut laufen könnte. Am Ende haben sie genauso häufig recht wie Pessimisten – doch ihr seelisches Gleichgewicht ist stabiler.
Das bedeutet nicht, dass Optimisten, sich einfach zurück lehnen und abwarten. Sie tun durchaus alles, was in ihrer Macht steht, damit die Dinge sich zum Guten wenden. Doch sie tun es mit einer Energie, die sich aus der Zuversicht speist.
Ein Leitgedanke des Optimismus ist: „Ich gehe davon aus: Es wird schon werden.“ – Statt die negative Entwicklung zu erwarten.
Übung:
Der menschliche Geist ist naturgemäß darauf gepolt, eher die schwierigen Dinge wahrzunehmen. Doch es ist leicht möglich, den eigenen Optimismus zu stärken, indem man sich bewusst auf das fokussiert, was gelingt. Eine Übung dazu heißt: „3 gute Dinge am Tag“: An jedem Abend setzt du dich kurz hin und überlegst, welche 3 Dinge heute gut waren. Notiere sie. Wenn du magst, ergänze die Frage: Was war mein Anteil daran, dass es gut wurde? Diese Übung stärkt Optimismus und Selbstwirksamkeit zugleich.
3.Persönliche Ziele:
Eine große Quelle für das Gefühl von Belastung und Stress ist die Orientierung im Außen. Häufig überlegt man, was wohl die Patient:innen von einem erwarten oder was „richtig“ ist in dieser oder jener Situation. Stresslindernd wirkt dagegen der Fokus auf die ganz persönlichen Ziele: Welche Stimmung ist dir in deiner Praxis wichtig? Welcher Umgang mit Patient:innen macht dich zufrieden? Wie viel Pausen benötigst du für deine Kraft und Wohlbefinden?
Ein Leitgedanke, der den Fokus auf persönliche Ziele stärkt ist: „Was will ich? “ – Statt eine „objektiv“ optimale Lösung zu suchen.
Übung:
Im stressigen Alltag hilft die Frage: „Was würde mich JETZT entlasten?“ sehr häufig, dem Stress die Schärfe zu nehmen. Häufig sorgen mehrere kurze Pausen im Tag für eine bessere Energiebalance. Auch die Frage: „Wozu könnte es langfristig gut sein?“ kann Situationen, die gerade belasten, in ein entspannteres Licht rücken.
Das Thema Resilienz ist für Therapeutinnen sehr wichtig!
4.Positive Sicht auf sich selbst:
Aus der Forschung rund um „Selbstmitgefühl“ ist bekannt, dass wir selbst meist die schärfsten Kritiker:innen unserer selbst sind. Sobald etwas nicht so läuft, wie erwartet, werden Selbstgespräche harsch: „Das musste ja wieder passieren!“ oder „Du bist einfach zu blöd.“ Wenn es dir gelingt, diesen selbstzerstörerischen inneren Dialog zu stoppen, wird das Leben um vieles ruhiger.
Ein Leitgedanke, der die positive Sicht auf sich selbst stärkt ist: „Ich bin ok.“ – statt zermürbender Selbstzweifel
Übung:
Übe den wertschätzenden Blick auf deine Lebensleistung. Mache dir zum Beispiel eine Liste aller Probleme, die du in deinem Leben bereits gelöst hast. Frage dich: Welche meiner Eigenschaften waren dabei hilfreich? So schaffst du eine starke Ressource der Selbstwertschätzung und Selbstwirksamkeit.
5.Soziale Verbundenheit:
Menschen sind Gruppenwesen. Soziale Verbundenheit ist einer der stärksten Kraftquellen für Resilienz und seelische Gesundheit. Leider passiert es gerade in fordernden und stressigen Situationen häufig, dass wir uns zurück ziehen. Wir möchten andere nicht mit unseren Problemen belasten, schämen uns für unsere Schwierigkeiten oder sind schlicht so im Stresstunnel gefangen, dass wir schlicht vergessen, um Hilfe zu bitten. Ein Teufelskreis. Wer ihn durchbricht, stärkt seine Resilienz enorm.
Der Leitgedanke für mehr soziale Verbundenheit ist: „Ich verbinde mich, hole mir Rat und Hilfe“ –statt sich abzukapseln
Übung:
Gerade in fordernden Zeiten kommen dir soziale Events wie Netzwerktreffen oder der Austausch mit Kolleg:innen vielleicht als zusätliche Belastung vor. Doch das ist ein Trugschluss. Suche dir Kolleg:innen und Menschen, die dich stärken und pflege den Austausch, baue dein Netzwerk kontinuierlich aus. Helft euch gegenseitig.
6.Eigenverantwortung:
Es ist fast ein Reflex, nach den Schuldigen zu suchen, wenn es schwierig wird. Doch diese Denkweise hält einen in der Ohnmacht gefangen. Wer sich nicht zur Suche nach Schuldigen hinreißen lässt, sondern den Fokus auf die Eigenverantwortung legt, stärkt seine innere Gelassenheit und Widerstandskraft. Passende Fragen sind: Wie kann ich diese Situation nun meistern? Oder: Wie können wir das Beste draus machen?
Ein Leitgedanke der Eigenverantwortung ist: „Dies kann ICH tun.“ – statt Schuld bei anderen zu suchen
Übung:
Ersetze den Satz und Gedanken: „Wenn X das tun würde, ginge es mir besser.“ Zukünftig durch: „Wenn ich dies tun würde, ginge es mir besser.“
7.Handlungsfähigkeit:
Wenn wir eine Idee davon haben, was wir als nächsten tun können, sinkt der Stresspegel. Die Handlungsfähigkeit ist somit einer der wichtigsten Hebel, die uns helfen, aus Situationen, die uns belasten, einen Ausweg zu finden. Studien zeigen beispielsweise, dass Menschen, die auch unter sehr belastenden Lebenssituationen seelische gesund blieben, die Fähigkeit hatten, auch noch die kleinste Möglichkeit zum Handeln zu nutzen – und sich so Schritt für Schritt in eine bessere Situation manövrierten.
Der Leitgedanke der Handlungsfähigkeit ist: „Ich suche und finde Lösungen, die in meiner Macht liegen“ – statt sich auf das zu fokussieren was unlösbar erscheint oder nicht in meiner Macht steht.
Übung:
Jedes Problem hat zwei Aspekte: Veränderbare und unveränderbare. Die Kunst ist, seine Kraft auf die veränderbaren zu verwenden. Diese Sichtweise kannst du üben, indem du dich angesichts eines Problems selbst befragst: Was sind hier die veränderlichen Aspekte? Und mit welchem Aspekt möchte ich mich beschäftigen? Und: Welche Aspekte kann ich nicht verändern – und sollte sie dementsprechend als gegeben akzeptieren?
Resilienz ist für Therapeutinnen sehr wichtig
Wir alle haben gewisse Stärken in Hinblick auf unsere Resilienz. Manche sind extrem lösungsorientiert, andere können sehr gut Dinge akzeptieren. Frage dich zuerst, welches deine starken Säulen sind – und freue dich über deine Stärken! Wenn du magst, frage dich nun auch, welche Säule bei dir manchmal wackelt oder nicht so stabil ist. Diese Säule kannst du spielerisch stärken, um deine Resilienz ganzheitlich auszubauen.
Carola Kleinschmidt ist Diplombiologin, Autorin und zertifizierte Trainerin für Stressprävention. In ihrem Jahresbegleiter „Gesünder arbeiten. Besser leben“ gibt sie leicht umsetzbare Tipps für Selbstfürsorge und seelische Balance. www.carolakleinschmidt.de
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