In den letzten Wochen haben wir uns eingehend damit beschäftigt, wie es zu dem angeblichen Hype um die frühkindlichen Reflexe gekommen ist. Wir hatten den Eindruck, dass es auf Instagram eine Flut an Anbieterinnen zur Therapie von frühkindlichen Reflexen gibt. Gefühlt kommen täglich neue Methoden und Anbieterinnen dazu.
In der Akademie memole, das “me” steht ja für Medizin, wollen wir vor allem aufklären und hochwertiges Wissen vermitteln (und natürlich auch unterhalten). Deshalb haben wir uns bewusst dagegen entschieden einen Kurs zu Therapiemöglichkeiten von Reflexen anzubieten. Das Thema ist uns einfach noch zu ungeklärt.
Entscheide du selbst, nach deinen individuellen Kriterien, was du guten Gewissens übernehmen möchtest, und für welche Theorien möglicherweise noch die Evidenz oder Erfahrung fehlt.
Was kann memole leisten?
Wir haben uns mit der angehenden Pädiaterin Frederike Heiden zusammen gesetzte und möchten erst mal die Basics klären. Was sind Reflexe? Woher kommen? Wofür sind sie da? Bei dem ein oder anderen ist die Ausbildung schon eine Weile her.
Warum schreiben wir mal “Auslöser” mal “Aussehen”?
Reflexe müssen immer ausgelöst werden, um sichtbar zu werden. Wir schreiben detailliert, was den Reflex auslöst und wie er sich dir dann zeigt.
Der Reflexbogen
Am Beispiel des Patellarsehenreflexes
Das sensorische Neuron registriert einen Dehnungsreiz ausgelöst durch einen Schlag mit einem Reflexhammer auf die Patellarsehne. In diesem Fall findet auf Rückenmarksebene eine Umschaltung auf das motorisches Neuron statt. Dieses zieht in diesem Fall zum M. quadriceps und bewirkt eine Kontraktion des Muskels. Dadurch kommt es zu einer Streckung im Kniegelenk.
Nach Verlauf des Reflexbogens werden zwei Typen von Reflexen unterschieden. Monosynaptische bzw. Eigenreflexe und Polysynaptische bzw. Fremdreflexe.
Beispiel Eigenreflex
Der Patellarsehenreflex ist ein typisches Beispiel für einen Eigenreflex. Der Reizort (Sehne des M. Quadriceps) und das Erfolgsorgan (M. quadriceps) sind gleich. Ein Fremdreflex läuft über mehrere hintereinander geschaltete Neurone, deshalb werden diese auch polysynaptische Reflexe genannt.
Beispiel Fremdreflex
Ein Beispiel für einen Fremdreflex ist der Kornealrelfex. Eine Berührung der Hornhaut (Cornea) des Auges führt zur Schließung des Auges. Der Reizort entspricht der Cornea, während das Zielorgan der Augenringmuskel für die Augenschließung ist.
Nach dem Verschaltungszentrum lassen sich die spinalen Reflexe, die Hirnstammreflexe und der transkortikale Reflex unterscheiden. Die spinalen Reflexe werden, wie der Name sagt, spinal, also im Rückenmark verschaltet. Hirnstammreflexe sind alle Reflexe, deren Erfolgsorgane von Hirnnerven innerviert werden. Transkortikale Reflexe durchlaufen den sensomotorischen Kontext. Sie haben einen längere Latenzzeit als die spinalen Reflexe.
Reflexe lassen sich zusätzlich in physiologische und pathologische Reflexe unterteilen. Diese Bewertung ist altersabhängig, da pathologische Reflexe des Erwachsenen bei Säuglingen physiologisch sein können.
Aus wissenschaftlicher Sicht muss es jedoch kritisch betrachtet werden, frühkindliche Reflexe als Reflexe zu bezeichnen. Reflexe sind per definitionem unveränderbar und immer gleich. Viele frühkindliche Reflexe verschwinden mit zunehmender Ausreifung des zentralen Nervensystems. Das Fehlen, Fortbestehen oder eine Seitenasymmetrie der Reflexe können diagnostische Hinweise auf eine zentrale Störung sein. Grundsätzlich sollte das Kind immer ganzheitlich in seiner Entwicklung und Erscheinungsform betrachtet werden.
Warum nennen wir den Zeitpunkt, an dem der Reflex aufhören sollte “Verschwinden”?
Wir verwenden den Begriff “Verschwinden”, da dieser Ausdruck am ehesten das Phänomen trifft. Denn der Reflex verschwindet, also immer weniger wird, immer schlechter auslösbar ist, bis er gar nicht mehr auslösbar ist. Der Reflex muss eben nicht exakt zu einem Zeitpunkt vorbei sein. In der Realität “läuft der Reflex in einem Zeitraum über 1-2 Monate aus”.
Einteilung der Reflexe
1. Angeborene Reflexe
Die Greifreflexe
- Palmar Reflex:
- Beginn: Geburt
- Verschwinden: Bis zum 3-4 Lebensmonat (bei U4/U5 nicht mehr vorhanden)
- Auslöser: Berührung der Handinnenfläche führt zum Handschluss.
- Bemerkung: Ist hilfreich beim Erlernen des Greifens. Das Erlöschen ist wichtig für die willkürliche Steuerung des Greifens und Loslassens. Dies ist meist um den 6. Lebensmonat wichtig.
- Plantar Reflex:
- Beginn: Geburt
- Verschwinden: Bis zum Ende des 1. Lebensjahres
- Auslöser: Berührung der Fußinnenfläche führt zur Zehenbeugung
- Bemerkung: Das Erlöschen ist notwendig für problemfreies Gehen. Dies ist meist um den 15. Lebensmonat möglich.
2. Tonische Reflexe
Tonische Reflexe sind für das Überwachen der Lage des Körpers, sie Bestimmen die Stellung der Körperteile zueinander und regulieren die Tonusverteilung der gesamten quergestreiften Muskulatur.
Symmetrischer tonischer Nackenreflex
- Beginn: Geburt
- Verschwinden: Bis zum 6. Lebensmonat (wenn das Kind anfängt zu krabbeln)
- Aussehen:
- Die Beugung des Kopfes führt zur Beugung der Arme und Streckung der Beine.
- Die Streckung des Kopfes führt zur Streckung der Arme und Beugung der Beine.
- Bemerkung:
- Wichtig ist dieser Reflex z. B. beim Erlernen der Aufrichtung aus der Bauchlage gegen die Schwerkraft.
Was ist ein Erfolgsorgan?
Das ist das Organ oder der Körperteil, der durch Bewegung reagiert.
Was ist ein Reflex?
Ein Reflex ist eine physiologische Reaktion eines Erfolgsorgans auf einen adäquaten Reiz. Er ist nicht willentlich steuerbar. Grundlage für die Funktionsfähigkeit von Reflexen ist der Reflexbogen.
Statokinetische Reflexe/ Gleichgewichtsreaktionen
- Sind während des ganzen Lebens auslösbar.
- Sie bewirken die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts, wenn der Körper passiv aus Mittelstellung verlagert wird über die Zunahme des Stütztonus, der der einwirkenden Kraft entgegenwirkt.
- Sie bilden sich ab dem 7. Monat aus und sollen ab dem 12. Monat voll vorhanden sein.
Sprungbereitschaft
- Beginn: 7. Lebensmonat (ab U5 vorhanden)
- Verschwinden: Bleibt ein Leben lang.
- Aussehen: Umgreifen des Kindes am Thorax und Bauch. Anschließendes nach vorne Kippen führt zur reflektorischen Streckung der Arme.
- Bemerkung: Wichtig als Schutzreflex zum Abfangen beim Sturz.
- Beim Persistieren verhindert er den Vierfüßlerstand und damit das Aufrichten zum Sitzen.
- Häufig bei Diplegikern persistierend.
Wo können Therapeuten der Ergotherapie und Logopädie leicht ihr Wissen auffrischen?
Am einfachsten geht das über die Selbstlernkurse in der Akademie. Hier bekommst du schwierige Themen gut aufbereitet. Du lernst in strukturierten Fortbildungen mit:
Videos, Texten, Patientenbeispielen, einem richtig guten Skript von echten Dozentinnen mit Herz & Erfahrung.
Kontakt
Aus dem Magazin
Minikurs für 0 EUR
Hol dir hier deinen Minikurs zur Sensorischen Integrationstherapie mit Rega Schaefgen für 0 EUR!