Was ist eigentlich Gutes Sehen? Visuelle Aspekte in Diagnostik und Therapie

Dieser Artikel über Gutes Sehen ist ein Teil einer Lektion aus dem Kurs “Visuelle Aspekte in Diagnostik und Therapie” von Christine Ambühl. Erfahre hier mehr über die memole Dozentin Christine.

Den Kurs über Gutes Sehen kannst du als Therapeut*in der Ergotherapie und Logopädie leicht besuchen. Er bringt dich in deiner täglichen Arbeit mit Kinder weiter.

Die Kreise symbolisieren die vier Funktionen vom Guten Sehen:

  • Augenbewegung
  • Winkeleinstellung
  • Wahrnehmung
  • Scharfstellprozess

Erst im Schnittpunkt der vier Kreise findet gutes Sehen statt. Das bedeutet: Für einen ermüdungsfreien und erfolgreichen Sehvorgang brauchen wir einen guten Visus und die vier Sehfunktionen, die alle gleich gut entwickelt sind.

Ein Schulkind ist in all diesen Bereichen besonders gefordert!

Was bedeuten die Bereiche nun genau?

1. Die Augenbewegungen (Augenfolgebewegungen, Blicksakkaden)

Das Augenpaar muss für das Gute Sehen gemeinsam flüssige Augenbewegungen in alle Richtungen ausführen können.

Ohne entspannte, geschmeidige Augenbewegungen in alle Richtungen ist das Sehen unflexibel, steif, anstrengend.

 Auch präzise Blicksprünge (Sakkaden) müssen gemeinsam exakt ausgeführt werden können.

Beispiele sind das Lesen und das Abschreiben in einem Buch oder Heft.

Im Bild siehst du ein wunderbares Beispiel für die Blicksprünge. Beim Lesevorgang wurden die Augenbewegungen eines mühelosen Lesevorgangs aufgezeichnet (Treppchenbildung). Im Gegensatz dazu siehst du im unteren Bild die Augenbewegungen eines Kindes, dessen Sehfunktionen nicht ideal und altersgemäß entwickelt sind. Die Blicksprünge laufen nicht parallel und sehr unkontrolliert. Zudem verlieren die beiden Augen die ideale Winkeleinstellung (siehe nächster Punkt: Winkeleinstellung) zueinander und driften auseinander oder wieder aufeinander zu. Das rechte Auge scheint sich sogar kaum am Lesevorgang zu beteiligen.

2. Die Winkeleinstellung (Vergenzen)

Die Augen müssen beim Guten Sehen gemeinsam in der Lage sein, Objekte in verschiedener Entfernung fixieren zu können. Dazu muss sich das Augenpaar auf unterschiedliche Winkel einstellen, zum Beispiel von einer Vorlage zum Bildschirm oder vom Schreibheft zur Wandtafel.

Fortbildung: Visuelle Aspekte in Diagnostik und Therapie

3. Der Scharfstellprozess (Akkommodation)

Eine weitere Aufgabe ist das Scharfstellen des gesehenen Bildes. Wie bei einem Fotoapparat müssen die Augen sich auf Objekte in unterschiedlicher Entfernung immer wieder neu fokussieren. Auch hier gibt die Schule ein wunderbares Beispiel her, nämlich den Blickwechsel von der Wandtafel zum Heft und umgekehrt.

4. Die Wahrnehmung (Verarbeitung im Gehirn)

Dem Gesehenen muss aber auch eine Bedeutung gegeben werden können. Wir müssen dem korrekt erfassten Objekt einen Sinn geben, um die so erhaltene Information entsprechend verwerten zu können. 

Beispiel:

Wenn wir jedes Mal neu lernen müssten, wozu eine Tasse dient oder dass der auf uns zu fliegende Ball gleich auf unserer Nase landen wird, wäre das sehr anstrengend. Natürlich gehört auch das Erkennen von Buchstaben und Zahlen zur sinnvollen Verwendung zu diesem Bereich.