Mund- und Kieferentwicklung beim Kind

Bei der Geburt hat das Kind einen relativ zurückliegenden Unterkiefer und einen eher gotischen Gaumen.

Wie entwickeln sich Unterkiefer und Gaumen beim Kind?

Der Unterkiefer und das Kinn entwickeln sich durch die kräftigen Unterkieferbewegungen beim Saugen nach vorn. Bei der Geburt hat jedes Baby ein zurückliegendes “fliehendes” Kinn.

NF!T®-Praktikertipp: Wenn das Saugen durch zu große Saugerlöcher zu leicht gemacht wird, nimmt man dem Kind diese Entwicklungsmöglichkeit!

 

Der Gaumen wird durch die Zungenbewegungen und den Druck beim Saugen mechanisch geweitet.

NF!T®-Praktikertipp: Wenn zu schnell zu viel Milch aus zu großen Saugerlöchern fließt, muss das Kind diesen Milchfluss stoppen. Dadurch wird der unphysiologische Zungenschub nach vorn gefördert und es entsteht häufig die Basis für eine Interdentalität.

 

Merkhilfe

Beim Saugen und Schlucken entsteht im geschlossenen Mund ein Unterdruck, während gleichzeitig in der Nase der atmosphärische Überdruck herrscht. Diese Druckunterschiede bewirken und bestimmen die Morphogenese (Ausformung) des Gaumens.

NF!T®-Praktikertipp: Wenn der Mund zu oft offen steht, liegt die Zunge kaudal. Dadurch fehlt der formgebende Druck und die weitenden Druckunterschiede.

„Gehen“, „Sprechen“ und „Denken“

Diese Fähigkeiten existieren und entwickeln sich zusammen und stehen in Wechselwirkung miteinander.

Das zeigt auch die Tabelle aus der vorangegangenen Lektion

Ein Beispiel zum verdeutlichen der horizontalen Wirkung der Fähigkeiten:

Einschränkungen im Bereich Sprachverständnis

Das Kind hat ein Defizit im Bereich Sprachverständnis. Das Sprachverständnis ist abhängig vom Krabbeln und den Ebenen davor.

Es ist davon auszugehen, dass das Grundproblem vor dem Entwicklungsschritt des Krabbelns liegt. Das Kind soll nun durch die NF!T® die ersten Schritte der Entwicklung erneut durchlaufen. 

  • Nun wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch das Sprachverständnis verbessern! Ohne dass direkt am Sprachverständnis gearbeitet wurde.
  • In der NF!T®- Therapie wird nicht isoliert am Sprachverständnis gearbeitet, ohne die Gesamtentwicklung zu berücksichtigen.

Der Prozess des Gehens führt zum Prozess des Sprechens und des Denkens

Das sagt schon Carl H. Delacato sagt: (leider keine exakte Angabe der Quelle möglich)

Die neurologische Organisation ist der physiologisch optimale Zustand, der nur im Menschen seine Vollendung findet und der das Ergebnis einer kontinuierlichen ontogenetischen (= individuellen) neuralen Entwicklung ist. Diese Entwicklung entspricht der phylogenetischen (=menschheitsgeschichtlichen) neuralen Entwicklung.“

Warum wird bei der NF!T® immer “von der Basis aus” gearbeitet?

Nach der Ansicht von Carl Delacato vollziehen wir mit unserer individuellen Entwicklung (= die Ontogenese) die Menschheitsgeschichte der Evolution ( = die Phylogenese) nach. Die Hintergründe zu dieser Sichtweise legt er sehr deutlich in dem Buch “Diagnose und Behandlung der Sprach- und Lesestörungen” erschienen im Hyperion Verlag Freiburg dar. Allerdings setzt er bei dieser Ontogenese eine kontinuierliche, bzw. konsequente und ungestörte Entwicklung voraus, die alle Stufen in ausreichendem Maße und Intensität durchläuft.

Diese Überzeugung ist die Grundlage der NF!T®!

                                                      

Die Ursprünge der NF!T®

Die Ursprünge der NF!T®  kommen aus den Theorien von Rudolf Steiner. Nach seiner Ansicht entwickelen sich die drei Fähigkeiten “Gehen”, “Sprechen” und “Denken” parallel und sind voneinander abhängig. In der Tabelle wird die Wechselwirkung dadurch deutlich, dass die miteinander verbundenen motorischen und sensorischen Fähigkeiten auf einen Ebene (in einer horizontalen Linie) stehen.

 

Mehr Informationen zu der Theorie von Rudolf Steiner findest du bei AnthroWiki. Eine zentrale Seite, auf der die von Rudolf Steiner entwickelte anthroposophische Geisteswissenschaft und ihre praktische Anwendung in verschiedensten Lebensbereichen ausführlich dargestellt wird.

 

GehenSprechenDenken
Jede Art von FortbewegungJede Art der KommunikationJede Art der Kognition
RobbenMotorisch und sensorischAssoziation, Imitieren, lernen, sich der Umwelt anpassen
KrabbelnAusdruck und VerständnisVerallgemeinerung
Primitives GehenWiederholen und HörenVergleich
Freies GehenBenennen und WahrnehmenAnalyse
Kontralaterales GehenSprechen und VerstehenSynthese
Seitendominanz und
Lateralität
Schreiben und LesenSchlussfolgerung und Urteil

Wie entstehen Störungen?

Eine Sprachentwicklungsverzögerung oder eine Lese-Rechtschreib-Schwäche entsteht deshalb, weil ein Teil der Erfahrung in der physiologischen Entwicklung fehlt. Es fehlen sozusagen Teile des Fundaments. In der NF!T® beginnt man deshalb an der Basis zu therapieren und durchläuft alle Schritte der Entwicklung.

Es ist häufig nicht nötig die gesamte Entwicklung vollständig zu durchlaufen. Häufig reicht es aus nur die ersten Schritte der Entwicklung zu durchleben und so das Fundament ausreichend wiederherzustellen.

Woran erkennt man die Stelle, an der dem Patienten Erfahrungen fehlen, seine physiologische Reifung noch Defizite aufweist?

  • als erfahrener Therapeut erkennt man oftmals sehr genau wo eine Entwicklungserfahrung fehlt
  • dennoch beginnt die NF!T® immer am Entwicklungsanfang!

 

Beispiel: Haus

Um die Vorgehensweise in der Neurofunktions!therapie aufzuzeigen, vergleichen wir die kindliche Entwicklung mit einem Hausbau.

Bei einem Haus wird zuerst das Fundament gegossen. Jetzt gibt es Schäden im Fundament – analog zu Störungen in der kindlichen Entwicklung. 

 

Was wird die Bauherrin/ der Bauherr als Nächstes tun?

Weiterbauen, das weiß man auch als Fachfremder, wäre nicht sinnvoll. Auch einen Teppich auf die Schäden zu legen oder das Problem mit einer neuen Etage zu überdecken ist keine Option. Denn der Schaden am Fundament wird durch das Vertuschen nicht behoben. Eine Zeit lang hilft das Verdecken (das Ignorieren) vor den Problemen vielleicht, aber mittelbar kommt es unweigerlich zu einem Folgeschaden.

Der Folgeschaden

Jetzt fährt fährt ein LKW am geschädigten Haus vorbei. Durch die Erschütterung bringt er das unsichere Haus zum Wackeln oder sogar zum Einstürzen.

Analog dazu beim Menschen: In der Entwicklung eines Kindes, können folgende Ereignisse „erschütternd” sein:

  • die Einschulung
  • ein neuer und großer Sprachentwicklungsschritt
  • aber natürlich auch andere, nachhaltig beeindruckende Erlebnisse

Bei Kindern wird oft gehofft, dass sich Fehlentwicklungen von selbst verbessern, dass „es sich verwächst“. Das ist aber meist nicht der Fall.